Über 400.000 Hüft- und Knieendoprothesen werden jährlich in Deutschland implantiert. Bekannt ist, dass weitere operative Eingriffe bei Patienten mit Prothesen die Gefahr einer bakteriellen Infektion des Prothesensitzes zur Folge haben können. Somit werden Prothesenträgern, wie bei der Endokarditisprophylaxe, vor operativen Eingriffen und vor Zahnarztbehandlungen oft Antibiotika verordnet. Die Infektion einer Prothese ist eine seltene, jedoch schwerwiegende Komplikation. Während Hautkeime des Patienten die Frühinfektion verursachen, erfolgt bei später auftretenden Infekten diese über den Blutweg (hämatogen). Diese Spätinfektion wird auch durch Faktoren wie Diabetes, Steroidbehandlung und krankheitsbedingte Immunsuppression begünstigt.
Notwendigkeit und Nutzen einer prophylaktischen Antibiotikatherapie von Prothesenträgern bei Eingriffen konnten bisher durch Studien nicht eindeutig belegt werden. Es ist jedoch bekannt, dass der unkontrollierte Einsatz von Antibiotika zu zunehmenden Resistenzen gegen Bakterien in der Bevölkerung führt. Eine Resistenz kann bereits nach einer Einzeldosis auftreten. Forscher wiesen bereits nach, dass Aktivitäten des täglichen Lebens – wie Zähneputzen oder Kauen – zu einer, wenn auch nur kurzen, Streuung von Keimen im Blut führt. Noch stärker ist das zum Beispiel bei einer Zahnextraktion der Fall. Mögliche weitere Quellen für Infektionen der Prothese sind Infektionsherde, die bereits vor der Implantation vorlagen. Dazu gehören unter anderem kariöse Zähne oder Abszesse. Weiterhin können Haut- oder Harnwegsinfekte, Fremdkörper wie Blasen- oder Gefäßkatheter und Eingriffe wie Prostataoperationen und Tonsillenentfernung eine Quelle für eine blutübertragene Infektion sein.
Wann sollen Antibiotika eingesetzt werden?
Eine generelle Antibiotikaprophylaxe ist nicht notwendig. Sie benötigen also kein Antibiotikum, wenn die Implantation mindestens ein Jahr zurück liegt, noch besser wären zwei Jahre. In diesem Fall wird das Infektionsrisiko als sehr klein eingestuft. Als Ausnahme gelten Zahneingriffe bei Patienten mit erhöhtem Risiko (siehe oben) oder bei Eingriffen mit einem erhöhtem Risiko (Eingriffe bei bestehender Infektion oder bei ausgeprägt schlechtem Zustand des Zahnfleisches und generell des Mundraumes, sowie bei ausgedehnten und längeren Eingriffen).
Zum Schluss kann festgehalten werden, dass es keine definitiven Regeln für den Einsatz eines Antibiotikums gibt. Die Indikation sollte idealerweise im Team mit dem Operateur, dem Hausarzt und dem Zahnarzt abgeklärt werden.
Vorbeugend sollten vor einer Prothesenimplantation die Zähne saniert sein und nach der Operation eine adäquate Hygiene des Mundraumes durchgeführt werden.
Infektionen, die eine Gefahr für die Prothese bedeuten, sind zügig mit Antibiotika zu behandeln. Der Prothesenträger muss auf jeden Fall seine behandelnden Ärzte über das Vorhandensein einer Prothese informieren.
Quelle(n):
Berbari EF et al., Dental procedures as risk factors for prosthetic hip or knee infection: A hospital-based prospective case-control study. Clin Infect Dis 2010 Jan 1; 50:8.
Nawrath EW, Walther W, Robra BP, Stand und Perspektiven der Antibiotika-Prophylaxe bei Patienten mit künstlichem, Gelenkersatz Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 2009;64 (1)