Regelmäßige Übungen und Mahlzeiten sowie gleichmäßiges Erwärmen und Kühlen von Gelenken könnten die Symptome von Arthrose verringern, weil hierdurch die Körperuhr in einen gleichmäßigen Takt gebracht wird. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler der Universität Manchester um Dr. Qing-Jun Meng. Ihre Forschung könnte möglicherweise zu der Erklärung beitragen, warum sich bei älteren Menschen eher eine Arthrose entwickelt als bei jüngeren.
Mit Rhythmus die Gangabweichung verbessern
Die Wissenschaftler fanden als erste Arbeitsgruppe heraus, dass Zellen des Knorpelgewebes über eine innere Uhr verfügen, die bestimmte Gene an und ausschaltet, welche die Gewebefunktion steuern. Auch könnte die Funktion der Körperuhr erklären, warum bei Patienten mit Arthrose die Schmerzwahrnehmung je nach Tageszeit variiert. Nahezu jedes Lebewesen besitzt eine innere Uhr. Mit Hilfe der Körperuhr regeln Tiere und Pflanzen Tagesrhythmen – unter anderem den Schlaf-Wach-Rhythmus oder auch Stoffwechselprozesse. Gerät der innere Uhr aus dem Takt, werden Körperfunktionen gestört und Krankheiten können entstehen. Der Verschleiß der inneren Uhr könnte auch das Risiko für die spätere Entwicklung einer Arthrose erhöhen, so die Vermutung der Forscher. In einer Studie des Teams lief die Körperuhr von Senior-Mäusen um 40 Prozent unregelmäßiger als die von jüngeren Tieren. Eine anschließende Analyse von Knochengewebe mit ähnlichen Schäden wie bei einer Arthrose zeigte, dass sich Komponenten der inneren Uhr während des frühen Krankheitsstadiums einer Arthrose verändern.
Ausgehend von diesen Erkenntnissen setzten die Wissenschaftler Zellen einer Knorpelgewebekultur von Menschen und Mäusen einem künstlichen Temperaturrhythmus aus, der die Veränderungen der Körpertemperatur über den Tagesverlauf nachahmte. Den Zellen wurde hierdurch quasi ein natürlicher Tages- und Nachtrhythmus vorgegaukelt. Das Ergebnis offenbart, wie lernfähig die Zellen des Knorpelgewebes sind: In einem 12-Stunden Intervall erhöhten die Forscher die Temperatur um zwei Stufen. Nach drei Durchläufen kam es zu einem Neustart der inneren Uhr mit dem Erfolg, dass sie nun wesentlich besser funktionierte als zuvor. Die Veränderung blieb fünf bis sieben Tage bestehen – und sogar dann, wenn die Temperaturzyklen nicht fortgeführt wurden.
In Zukunft: Medikamente nach der Körperuhr einnehmen
Meng verdeutlicht: Setzen wir das Knorpelgewebe einem gleichmäßigen Rhythmus aus, dann scheint unseren Daten zufolge die gealterte Körperuhr neu gestartet zu werden. Dies könnte man in der Praxis beispielsweise dadurch erreichen, indem man regelmäßig isst, bestimmte Übungen durchführt oder die Gelenke zu bestimmten Zeiten kühlt oder erwärmt. Wir denken, führt er weiter aus, dass die ‚Rhythmusbandlung‘ möglicherweise zukünftig bei der Therapie von Gelenkerkrankungen eine bedeutende Rolle spielen könnte. Weitere Studien könnten eventuell aufzeigen, wie mithilfe von bestimmten Rhythmen auch die Arthrose-Symptome von Patienten verbessert werden könnten.
Die Forschung des Teams aus Manchester lässt darüber hinaus vermuten, dass durch eine Medikamenteneinnahme, die sich an der ‚biologischen Gewebeuhr‘ orientiert, möglicherweise bessere Behandlungserfolge erzielt würden. Auf diese Weise könnte eine Verringerung der Dosis erfolgen, was weniger Nebenwirkungen zur Folge hätte.
Gerät die ‚Körpereigene Uhr‘ aus dem Takt, wird man krank
Meng geht schon seit vielen Jahren dem Phänomen ‚Körperuhren‘ auf den Grund. Seine Studien liefern zunehmend Belege dafür, dass Störungen der ‚körpereigen Uhr‘, die beispielsweise durch Jetlag oder Schichtarbeit verursacht werden, zu einer ganzen Reihe von Problemen führen können. Mit auf das Konto einer gestörten ‚körpereigenen Uhr‘ gehen unter anderem Fettleibigkeit, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und seelische Probleme.
Um herauszufinden, welche Auswirkungen eine gestörte ‚körpereigene Uhr‘ auf die Arthrose hat, schloss sich Meng mit seinem Kollegen Professor Ray Boot-Handford vom Wellcome Trust Center für Zell Matrix Research zusammen. Arthrose wird durch vielfältige Faktoren verursacht, legt Boot-Handford dar, und einer der wesentlichen Risikofaktoren ist das Alter. Unsere Erkenntnis, dass das Knorpelgewebe über einen 24-Studen-Rhtythmus verfügt, der mit zunehmendem Alter schwächer wird, ist hochinteressant und könnte erklären, warum wir Arthrose bekommen, wenn wir älter werden, fasst er seine Schlussfolgerungen zusammen.
Eines der Schlüsselergebnisse der Studie war die Entdeckung von sogenannten ‚Rhythmik-Genen‘ im Knorpelgewebe. So fanden die Wissenschaftler heraus, dass 615 Gene oder 4 Prozent der Gene im Knorpelgewebe in einem zeitlichen Rhythmus exprimiert wurden – der Höhepunkt wurde dabei alle 24 Stunden erreicht. Und viele dieser Gene stehen mit Arthrose im Zusammenhang.
Das Britische Team schreibt mit seiner Studie Forschungsgeschichte. Denn es konnte zum ersten Mal zeigen, das eine ‚Körperuhr‘ im Knorpelgewebe von Menschen und Mäusen arbeitet und entsprechende genetische Zusammenhänge aufzeigen. Wird die Körperuhr während des Alterungsprozesses beschädigt, kommt es zu ersthaften Gelenkschäden. Dass Arthrose unter anderem auch mit einer nicht mehr gut funktionierenden ‚Körperuhr‘ in Zusammenhang steht, bietet einen neuen Ausgangspunkt für die Entwicklung von Therapiemöglichkeiten – beispielsweise könnte durch einem künstlichen Rhythmus die Körperuhr nachgeahmt oder Medikamente termingerecht verabreicht werden.
Quelle(n):
Nicole Gossan et al., Arthritis and Rheumatism, 2013