Oxytocin ist das Treuehormon. Verlieben sich zwei Menschen, kommt dem Hormon die Aufgabe zu, deren Bindung zu stärken. Außerdem fördert das Hormon das Mitgefühl sowie das Vertrauen in andere Menschen – also möglicherweise auch das Vertrauen in den behandelnden Arzt. Wissenschaftler um Ulrike Bingel aus Essen fanden nun heraus, dass Oxytocin noch mehr kann: Es beeinflusst nicht nur die Bindung von Menschen, sondern steigert auch den Effekt von Scheinmedikamenten.
Wissenschaftler hatten einen Versuch unternommen, der sich vielleicht sogar einmal günstig auf Schmerztherapien bei Patienten mit Arthrose auswirken könnte. Sie nahmen in ihre Studie 80 männliche Teilnehmer auf. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Beiden Gruppen wurde ein Nasenspray verabreicht. Der Nasenspray der einen Gruppe enthielt Oxytocin, in dem anderen befand sich eine harmlose Salzlösung. Anschließend wurde den Probanden an zwei Stellen am Unterarm eine Salbe aufgetragen. Die Forscher erklärten den Teilnehmern, dass es sich bei der Salbe an der einen Stelle um ein schmerzlinderndes Medikament handeln würde – in Wirklichkeit war die schmerzlindernde Salbe ein Scheinmedikament, auch Placebo genannt. Nachdem die Teilnehmer einem Hitzereiz ausgesetzt worden waren, gaben sie an, an der mit der ‚Schmerzsalbe‘ versehenen Stelle weniger Schmerzen zu spüren als gemäß der Stärke des Schmerzreizes zu erwarten gewesen wäre. Unter Oxytocin fiel die Bewertung des Schmerzes deutlich geringer aus als unter der Salzlösung. Durch weitere Kontrolluntersuchungen schlossen die Forscher aus, dass Oxytocin selbst schmerzlindernd wirkt.
Oxytocin wirkt stresslindernd und angstlösend
Mit diesem Experiment konnte laut Aussage der Forscher das erste Mal gezeigt werden, dass Oxytocin die Wirkung eines Scheinmedikaments verstärkt. Und diese Wirkung von Oxytocin könnte man sich möglicherweise zunutze machen, um andere Behandlungen mit Scheinmedikamenten zu unterstützen.
Die Placebo verstärkende Wirkung ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Oxytocin die Glaubwürdigkeit des behandelnden Arztes erhöht. Zudem wirkt Oxytocin stresslindernd und angstlösend. Das sind zwei Eigenschaften, die sich ebenfalls positiv auf die Schmerzwahrnehmung des Patienten auswirken können.
Die Wissenschaftler planen nun, ihre Forschung zu den Placebo verstärkenden Effekten von Oxytocin auszuweiten. Unter anderen interessiert sie der genaue Mechanismus, der hinter der Wirkung des Oxytocins steht. Interessant zu sehen wäre auch, welche Rolle beispielsweise das Geschlecht spielt. Hierzu müssten jedoch auch Untersuchungen mit echten Patienten durchgeführt werden.
Vielleicht gibt es ja eines Tages Oxytocin-Sprays für Patienten mit Schmerzen – also auch Arthrose-Patienten.
Quelle(n):
Kessler S et al., JAMA, 2013