Neuesten Forschungsergebnissen zufolge scheint eine gestörte Schmerzverarbeitung des Gehirns für die chronischen Schmerzen von Arthrose-Patienten verantwortlich zu sein. Daraus ergeben sich neue Therapieansätze mit dem Ziel, dem Gehirn beizubringen, wie es chronische Schmerzen besser bewältigen kann. Einen vielversprechenden Ansatz könnte unter anderem eine achtsamkeitsbasierte Gesprächstherapie darstellen.
Jeweils bis zu 30 Prozent einer Bevölkerung kann von chronischen Schmerzen betroffen sein – die meisten davon sind Patienten mit Arthrose. Das Befinden der Patienten verschlechtert sich, wenn sich der Schmerz in andere Körperregionen ausdehnt – eine Situation, die das tägliche Leben beeinträchtigt. So leiden Betroffene beispielsweise an Schlafstörungen und haben Probleme dabei, ihren täglichen Aufgaben nachzukommen.
Jedem sein eigener Schmerz?
Bisher ging man davon aus, dass lädierte Gelenke für die Schmerzen von Arthrose-Patienten verantwortlich seien, erklärte Professor Anthony Jones der ‚Human Pain Group‘ der Universität Manchester. Doch gibt es eine Beobachtung, die den Wissenschaftler und sein Team aufhorchen lassen. So besteht nur ein geringer Zusammenhang zwischen Gelenkzerstörung und Schmerzausmaß. Und der Schmerz kann sich außerdem auf benachbarte Bereiche des Körpers ausweiten, die keine Anzeichen einer Arthrose aufweisen. Die Arbeitsgruppe um Jones setzte sich zum Ziel, diesem Phänomen auf die Spur zu kommen. Noch gibt es keinen Erklärungsansatz dafür, warum Arthrose-Patienten ein so unterschiedliches Schmerzempfinden haben. Forscher nehmen an, dass Schmerz-Ausdehnung und -Intensität bei Arthrose dem Schmerzempfinden bei Fibromyalgie ähnlich ist. Fibromyalgie ist eine weit verbreitete Erkrankung, bei der chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen auftreten. Zu den Begleiterscheinungen der Erkrankung gehören psychologischer Stress und Schlafstörungen. Bisher existiert noch kein einheitliches Erklärungsmodell über die Ursachen. Frühere Forschungsergebnisse legten nahe, dass bei Patienten mit Fibromyalgie die Schmerzverarbeitung im Gehirn gestört ist. Ausgehend hiervon suchte das Manchester-Team nach Gemeinsamkeiten bei der Schmerzverarbeitung in Gehirnen von Arthrose- und Fibromyalgiepatienten, um zu verstehen, warum manche Patienten mit Arthrose den Schmerz stärker wahrnehmen als andere.
Zwei Gehirnregionen – die unüblichen Verdächtigen
Eine kürzlich im European Journal of Neuroscience veröffentlichte Studie bringt neue Erkenntnisse ins Dunkel der Wissenschaft. Patienten mit Arthrose oder Fibromyalgie und Personen ohne Schmerzen wurden mittels Laser ein kurzer, schmerzhafter Haut-Reiz verabreicht. Anschließend maßen die Forscher die Hirnwellen der Probanden. Sie fanden heraus, dass sich in Erwartung des Schmerzes die Aktivität in einer Gehirnregion namens Insular Cortex (Inselrinde) erhöhte. Die Aktivität der Inselrinde zeigte, mit welchem Ausmaß und welcher Intensität der Patient seinen individuellen chronischen Schmerz erlebt. Eine erhöhte Aktivität dieser Hirnregion ist mit Eigenschaften verknüpft, die möglicherweise die erhöhte Schmerzempfindlichkeit einiger Patienten erklären könnte. Hierzu gehören beispielsweise Körperwahrnehmung oder die Verarbeitung von Emotionen. Neben dem Insular Cortex scheint auch ein anderer Teil des Gehirns bei der Verarbeitung von Schmerzen beteiligt zu sein. Denn interessanterweise verringerte sich in Erwartung des Schmerzes die Aktivität in einem Bereich der vorderen Hirnrinde – dem dorsolateralen präfrontalen Cortex. Diese verringerte Aktivität ging in beiden Patientengruppen mit einer geringeren Fähigkeit einher, positive Wege im Umgang mit dem Schmerz zu entwickeln.
Würde diese Gehirnregion entweder direkt oder indirekt angeregt, könnte dies zu einer besseren Verarbeitung und Kontrolle des Schmerzes in anderen Regionen des Gehirns führen, so eine der Interventionsideen der Wissenschaftler.
Schmerzen bei Fibromyalgie und Arthrose funktionieren ähnlich?
Die Studie von Jones und Kollegen legt nahe, dass die gestörte Schmerzverarbeitung im Gehirn bei Fibromyalgie und Arthrose auf den gleichen Vorgängen im Gehirn beruht. Daher könnte versucht werden, neue gemeinsame Therapien für beide Krankheiten zu entwickeln, die in diesen Mechanismus eingreifen.
Die Wissenschaftler konnten bereits zeigen, dass durch kurzfristige achtsamkeitsbasierte Gesprächstherapien die Reaktion des Gehirns auf den Schmerz verändert werden konnte – und zwar bei Patienten, die an verschiedenen chronischen Schmerzarten leiden. Möglicherweise könnten, ausgehend hiervon, neue Therapien entwickelt werden.
Fazit der Wissenschaftler: Die Forschung bietet uns faszinierende Innenansichten darüber, wie das Gehirn auf Schmerz reagiert. Sie zeigt uns Wege auf, warum bei Patienten mit ähnlichem Ausmaß an Gelenkschäden die Schmerzwahrnehmung so große Schwankungen aufweist. Ausgehend von den neuen Ergebnissen könnten sich zukünftige Forschungen vor allem den veränderten Mechanismen im Gehirn zuwenden.
Quelle(n):
Manchester University. „Talking-therapy treatments to manage osteoarthritis pain.“ ScienceDaily. ScienceDaily, 7 March 2014. <www.sciencedaily.com/releases/2014/03/140307084003.htm>.