Ich habe eine schwere Arthrose. Nun soll ich eine zementfreie Press-fit Hüftprothese bekommen. Was ist das eigentlich genau?
Frau M., Wiesbaden
Antwort
Sehr geehrte Frau W.,
der goldene Standard der Hüftprothese ist zurzeit die zementfreie Prothese. Zementierte Hüftprothesen werden nur noch bei bestimmten Indikationen eingesetzt, so zum Beispiel bei sehr schlechten Knochenverhältnissen, bei bestimmten Revisionsoperationen.
Die zementfreie Prothese basiert auf dem Prinzip des biologischen Verbundes zwischen Implantat und Knochen. Die Oberfläche der Prothese muss so strukturiert sein, dass Knochen heran- und hineinwachsen kann, und somit ein fester Verbund zwischen Knochen und Prothese entsteht. Die Prothese sollte sofort nach Implantation einen primären festen Sitz haben, damit es zu keinen oder maximal sehr geringen Relativbewegungen zwischen Knochen und Prothese kommt. Dies ist entscheidend für einen korrekten Knochenaufbau an der Prothese. Im anderen Fall kann sich der Knochen resorbieren (auflösen) oder es bildet sich nur narbiges Bindegewebe zwischen Prothese und Knochen und es kommt zu einer Lockerung. Die Bewegungstoleranz sollten 150 Nanometer nicht überschreiten.
Sofort nach der Implantation spricht man von Primärstabilität, nach Anwachsen des Knochens an und eventuell in die Prothese von sekundärer Fixation – dieser zweite Prozess kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen.
Der Press-Fit-Sitz wird bei einer Prothesenpfanne dadurch erreicht, dass das Prothesenlager ein oder zwei Millimeter weniger aufgefräßt wird, wie die Größe der Pfanne, die anschließend hineingeklopft wird. Somit ist die Prothese primär verklemmt.
Mehrere zusätzliche primäre Fixationsmöglichkeiten sind möglich: Es gibt Schraubpfannen, die wie ein Gewinde in den Knochen „geschraubt“ werden. Es gibt Spreizpfannen, die sich beim Implantieren spreizen, Pfannen, die angeschraubt werden, und reine Press-fit-Pfannen, die nur reingeklopft werden und sich primär verklemmen ohne zusätzliche Fixierung.
Beim Fit-Full versucht der Schaft den gesamten Marktraum zu füllen und hat somit eine sogenannte anatomische Form. Am optimalsten ist diese Form theoretisch bei individuell angefertigten Prothesen zu erreichen. Eine weitere Form ist der Wedge-Fit. Bei dieser Form füllt die Prothese den Raum seitlich im Oberschenkelknochen aus (medial und lateral) und nicht vorne und hinten. Es handelt sich dabei um abgeflachte Prothesen. Wegen der Kraftleitung ist es auch eher von Vorteil, wenn der Schaft der Prothese nur im oberen Drittel Kontakt mit dem Knochen hat.
Beim Schaft, wie bei der Pfanne, gibt es auch die Option poröser Oberflächen, in denen Knochenbälkchen reinwachsen können. Dies kann zusätzlich beschleunigt werden, wenn die Prothesenoberfläche noch mit Hydroxylapatit beschichtet wird. Es handelt sich dabei um ein Biomaterial, der auch als Knochenersatz eingesetzt wird.
Eine weitere Möglichkeit ist die Vergrößerung der Oberfläche durch Rillen, Lamellen oder Auftragen von Titanpartikel durch ein Plasmaspritzverfahren. Geforscht wird zurzeit mit neuen Materialien, auch mit antibiotisch wirksamen Beschichtungen von Hüftprothesen.