Die Mönche aus den Bergen Tibets setzen sie zur Heilung von Körper und Geist ein: Lu Jong, die älteste asiatische Bewegungslehre, heißt wörtlich übersetzt Körperübung oder Körperschulung. Die leicht erlernbaren Körper- und Atemübungen stammen ursprünglich aus Tibet und wurden bereits vor Jahrtausenden praktiziert. Neben der positiven Wirkung der gezielten Bewegung auf die Gelenke werden bei Lu Jong auch die Kanäle des menschlichen Körpers, die sogenannten Meridiane, gedehnt und entspannt. Dadurch können Blockaden gelöst und Störungen behoben werden, so dass die Energie wieder frei fließen kann. Dabei sollen sich Körper und Geist entspannen.
In den tibetischen Klöstern werden von hunderten Mönchen nur wenige ausgewählt, um Lu Jong bei einem Meister zu erlernen. Sie müssen sich vorher eingehender Prüfungen unterziehen. Bis heute werden die Übungen nur mündlich vom Meister zum Schüler weitergegeben, da sie zu den „verborgenen Lehren“ gehören und deshalb nicht niedergeschrieben wurden. Einige Übungen werden jedoch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, da sie nach Auffassung der tibetischen Meister in direkter Beziehung zur Medizin stehen und daher keinem Menschen vorenthalten werden dürfen.
Krankheit und Heilung
In der tibetischen Medizin begründet sich Kranksein auf falsche Ernährung, Bewegung, Verhalten oder Einstellung. Heilung erhält man durch:
- Veränderung des Verhaltens
- Veränderung der Ernährung
- Medikamente
- Eingriffe (Operation)
Nach der Lehre des Lu Jong gibt es im Körper ca. 72.000 Kanäle oder Meridiane, in denen Blut und, nach tibetischer Vorstellung, Säfte der Lebensenergie fließen. Wenn in den Kanälen Blockaden und Störungen entstehen, können diese nicht mehr in ausgewogenem Verhältnis zu einander fließen. Durch Bewegen der Körperstellen, an denen sich die Hauptpunkte der Meridiane befinden, kann man die Kanäle elastisch und durchlässig erhalten, stärken und sensibilisieren. Aus den fünf Elementen Wind, Raum, Feuer, Wasser und Erde bilden sich die Baustoffe des Körpers. Der Wind ist die Grundlage der fünf Elemente. Er fließt als einer von drei Säften durch die Meridiane. Die beiden weiteren Säfte sind Galle und Schleim. Die tibetische Medizin sieht in Störungen des Flusses dieser drei Säfte die Hauptursache für Erkrankungen. Lu Jong-Übungen beeinflussen den Geist und fördern die Erkenntnis. Wenn es gelingt, die drei Säfte zu harmonisieren, können wieder alle fünf Elemente ausgeglichen im Körper fließen.
Übungen
Die beste Zeit für Lu Jong-Übungen sind der frühe Morgen und der späte Abend, da zu dieser Zeit der Wind ungehindert durch die Meridiane fließen kann. Jede Übung sollte langsam gemacht und siebenmal wiederholt werden. Nach jeder Übung atmet man dreimal tief durch die Nase ein und dreimal tief durch den Mund aus. Das Ausatmen lässt die gestörten Energien und negativen Emotionen herausströmen. Lu Jong-Übungen sind gegliedert in fünf verschiedene Übungskomplexe, sie decken verschiedene Krankheitsgruppen ab.
Beispiele
Übungen gegen Arthritis und rheumatische Gelenkerkrankungen in den Armen und Händen aus der Gruppe der Übungen für die Beweglichkeit:
Strecken Sie die Arme gerade von sich. Die Handflächen sind nach oben geöffnet.
Beugen Sie die Arme mit Schwung, und bringen Sie die Handflächen, die sich gleichzeitig zu Fäusten schließen, in Schulterhöhe.
Halten Sie Arme und Hände kurz mit Kraft in dieser Position.
Dann strecken Sie die Arme wieder aus und öffnen die Handflächen kraftvoll.
Praktizieren Sie diese Übung siebenmal.
Anschließend winkeln Sie die Arme leicht an und halten sie von sich.
Die Handflächen sind erneut nach oben geöffnet, die Finger gestreckt.
Jetzt klappen Sie die Finger, mit dem kleinen Finger beginnend, einzeln nacheinander ein.
Dann drehen Sie die Hand nach unten und öffnen sie dabei.
Nun klappen sie die Daumen ein und legen die Finger, mit dem Zeigefinger beginnend, nacheinander darüber.
Dann drehen Sie die Hände wieder um und öffnen sie nach oben. Siebenmal fließend wiederholen.
Sitzen Sie aufrecht und ziehen die Beine so an den Körper heran, dass beide Fußsohlen flach aneinander liegen.
Die rechte Hand umfasst nun den rechten großen Zeh, die Linke den linken großen Zeh.
Dann legen Sie den Oberkörper flach nach hinten, sodass der Hinterkopf den Boden berührt.
Die beiden Füße bleiben dabei vorn am Boden, und die beiden großen Zehen werden mit den Händen festgehalten.
Mit einem Ruck strecken Sie nun die Beine und die Arme gerade nach vorn aus.
Gleichzeitig richten Sie den Oberkörper auf und beugen sich so weit vor, dass die Hände vorne die Füße berühren. Siebenmal wiederholen, anschließend dreimal wie im Folgenden beschrieben atmen.
So atmen Sie nach den Übungen
Setzen Sie sich nach den Sitzübungen aufrecht hin. Nach den Stehübungen stellen Sie sich aufrecht hin, die Beine parallel und schulterbreit auseinander. Führen Sie nun beide geöffneten Handflächen langsam nach oben. Dabei atmen Sie durch die Nase ein. Dann drehen Sie die Handflächen um und führen sie langsam nach unten. Dabei atmen Sie – mit den tonlosen „haaa“- durch den Mund aus.
Quelle(n):
Tulku Lama Lobsang: Lu Jong – die älteste tibetische Bewegungslehre von den Mönchen aus den Bergen zur Heilung von Körper und Geist. Verlag O.W. Barth, 2004. Abdruck mit Genehmigung der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main