Patienten, die stark gefährdet waren, nicht mehr ohne fremde Hilfe gehen zu können, nahmen an einem Bewegungsprogramm teil. Das Programm machte ihnen so viel Spaß, dass sie es freiwillig fortsetzten.
Immobilität birgt viele Risiken
Eine vom National Institute of Health (NIH) in den Vereinigten Staaten unterstützte Studie kam zu einem eindrucksvollen Ergebnis: Es ist die erste Studie, die zeigt, dass gemäßigte strukturierte körperliche Betätigung das Risiko für Immobilität bei älteren, entsprechend gefährdeten Menschen deutlich verringern kann. Die Begriffe ‚Immobilität beziehungsweise Bewegungsunfähigkeit‘ beschreiben in dieser Studie den Verlust der Fähigkeit alleine – ohne Unterstützung einer Gehhilfe – 400 Meter weit zu laufen. Allgemein sind immobile Menschen verschiedenen Risiken ausgesetzt. Bei den immobilen ist im Vergleich zu mobilen älteren Menschen, der Anteil an kranken oder invaliden Personen größer. Auch haben ältere immobile Menschen ein höheres Risiko zu sterben.
Aus orthopädischer Sicht führt Immobilität zu Muskelschwund und einer Einsteifung der Gelenke. Dadurch reduziert sich weiterhin die Mobilität und die Sturzgefahr nimmt zu.
Bislang konnte zwar eine beachtliche Anzahl an Studien zeigen, dass verschiedene Bevölkerungsgruppen und Menschen mit ganz unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen von einer regelmäßigen körperlichen Betätigung profitieren. Doch gab es bislang noch keine Daten darüber, wie man eine Bewegungsunfähigkeit vorbeugen kann.
150 Minuten moderates Training pro Woche bewirkt eine Menge
In dieser großen klinischen Studie absolvierten ältere entsprechend gefährdete Teilnehmer über einen durchschnittlichen Zeitraum von 2 Jahren und 6 Monaten regelmäßig ein ausgewogenes einfaches körperliches Training. Das Risiko einer starken Bewegungsunfähigkeit konnte dadurch bei 18 Prozent der Teilnehmer verringert werden.
Die Wissenschaftler der LIFE (Lifestyle Interventions and Independence for Elders)–Studie nahmen 1.635 ältere Frauen und Männer zwischen 70 bis 89 Jahren in ihre Untersuchung auf. Alle Versuchsteilnehmer hatten das Risiko invalide zu werden, einen vorwiegend ‚sitzenden Lebensstil‘ und stammten sowohl aus Städten und Vorstädten als auch aus ländlichen Gegenden. Sie wurden mittels Zufallsprinzip auf zwei Gruppen verteilt. Die eine Gruppe durchlief das strukturierte Bewegungsprogramm, die andere erhielt ein Gesundheitserziehungsprogramm, das sich auf Themen wie erfolgreiches Altern konzentrierte.
Studienleiter war Dr. med. Marco Pahor der Universität Florida. Daneben beteiligten sich auch unter anderem die Yale Universität, die Stanford Universität, das Research Center in Baton Rouge und die Universität in Winston-Salem an der Studie. Koordination der Daten und Auswertung organisierte die Wake Forest Universität.
Die 818 Personen der Bewegungsgruppe arbeiteten stufenweise auf das Ziel hin, 150 Minuten pro Woche körperlich aktiv zu sein. Die 150 Minuten teilten sich auf in 30 Minuten flottes Gehen, 10 Minuten Krafttraining der unteren Extremitäten, 10 Minuten Gleichgewichtstraining und ein umfangreiches Muskelkrafttraining. Das Programm fand zweimal pro Woche in der Klinik statt, und die Teilnehmer führten zusätzlich drei- bis viermal pro Woche Übungen zu Hause durch. Die 817 Teilnehmer des Gesundheitserziehungsprogramms besuchten zunächst 26 Wochen lang einmal pro Woche einen Workshop. Nach den 26 Wochen wurde der Workshop einmal pro Monat abgehalten. Auch im Workshop wurde den Probanden etwas sportliche Bewegung angeboten. Dort absolvierten die Probanden in jeder Sitzung 5 bis 10 Minuten lang Stretching- und Beweglichkeitsübungen.
Die Teilnehmer beider Gruppen wurden alle 6 Monate in einer Klinik untersucht. Ob sie die Vorgaben des Programms einhielten, wurde mittels Anwesenheit bei den Übungen und Workshops erfasst. Außerdem hielten die Teilnehmer in einem Fragebogen fest, wie viele Stunden pro Woche sie körperlich aktiv waren. Zusätzlich wurden alle Probanden mit einem Messgerät ausgestattet, das eine Woche lang einmal pro Jahr ihre körperliche Aktivität aufzeichnete.
Die Teilnehmer wollten die Studie freiwillig fortsetzen
Zu Beginn der Studie hatten alle Teilnehmer ein hohes Risiko immobil zu werden. Sie waren zwar in der Lage, 400 Meter ohne Gehstock, Rollator oder die Hilfe einer anderen Person zu laufen. Doch zeichneten sie sich durch einen ‚vorwiegend sitzenden Lebensstil‘ aus und erreichten niedrige Werte in einem Standardfitnesstest, der das Risiko für Invalidität erfasst.
Die Studie zeigte insgesamt, dass es niemals zu spät ist, mit einem Bewegungsprogramm anzufangen, welches eine deutliche positive Wirkung auf gebrechliche ältere Menschen hat: Denn die Teilnehmer in der Bewegungsgruppe hatten ein beachtlich verringertes Risiko ihre Mobilität einzubüßen. Das Ergebnis öffnet älteren gebrechlichen Menschen und ihren Angehörigen neue Perspektiven aktiv und beweglich zu bleiben.
Die Probanden hatten übrigens so viel Spaß am Programm der Studie, dass sie mehr Sitzungen besuchten und länger an der Studie teilnahmen als vorgesehen. Die Wissenschaftler registrierten außerdem eine große Begeisterung für das Bewegungsprogramm. Denn nachdem die Forscher die Studie beendet hatten, reagierten die Teilnehmer darauf mit großer Enttäuschung. Doch viele der Teilnehmer machen auf eigene Initiative mit dem Übungsprogramm weiter – zur großen Freude der Forscher. Es konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass ein leichtes körperliches Trainingsprogramm auch von älteren Ungeübten zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität führen kann und somit lebensverlängernd wirkt.
Was die Studie Arthrose-Patienten zeigt
Gerade Arthrose-Patienten sind ebenfalls von Bewegungseinschränkungen und Immobilität betroffen – daher ist insbesondere für Menschen mit Arthrose wichtig, dass sie sich bewegen. Und dies, obwohl Schmerzen und Bewegungseinschränkung vielen Arthrose-Patienten die Freude an Bewegung und sportlichen Aktivitäten verleiden. Dabei gehört ausgerechnet die nicht immer beliebte Bewegung zu den wichtigsten therapeutischen Ansätzen, um die arthrotischen Gelenkbeschwerden zu verringern. Doch viele Arthrose-Patienten nehmen aufgrund der Beschwerden eine Schonhaltung ein. Die Folgen sind unangenehm: Die Muskulatur verkürzt sich, was zu einem verringerten Bewegungsumfang und damit zu einer Fehlbelastung führt. Die Arthrose verschlimmert sich. Für Patienten mit Arthrose hat Bewegung den Vorteil, dass die von Arthrose betroffenen Gelenke besser mit Nährstoffen versorgt werden.
Quelle(n):
https://www.thelifestudy.org/public/index.cfm sowie https://clinicaltrials.gov/ct2/help/how-read-study